Etappe 2: Saint-Gingolph – Refuge de Trébentaz
Krampfhaft auf und ab…
Wieder gleich vorweg: die schlechteste 2. Etappe für eine Tour, die man planen kann *selbstabwatschen*. Aber wieder von Anfang an. Nachdem es erst um 8:00 Frühstück gab, ich dann noch Geld abheben musste und von einem Junggesellen-Abschied (ja, in Saint-Gingolph) aufgehalten wurde, startete ich erst um 9:00 in den Tag.
Es folgten 1600 recht unspektakuläre Höhenmeter. Die meiste Zeit lief ich durch einen Wald, in dem es durch den gestrigen Regen fast schon dampfte. Sonnenbrille konnte ich keine tragen. Heraus aus dem Wald konnte ich etwas Dampf ablassen und musste feststellen, dass sich einige Nebelschwaden rund um die Gipfel bewegten. Einerseits gut, da die Sonne nicht so herunterbrannte, andererseits schlecht, da ich zum Großteil nicht auf den Genfersee „zurückseen“ konnte.
Am Weg hinauf überholte ich ein nettes Pärchen, dem ich heute noch ein paar Mal begegnen sollte. Außerdem merkte man, dass Samstag war, da relativ viele Wanderfamilien unterwegs waren. Nach der Waldgrenze wurde es nicht wirklich spektakulärer, daher hier eine kleine Anekdote: Ich habe über den ganzen Tag verteilt sicher 7l Wasser getrunken, musste aber keine einzige Pinkelpause in 11h einlegen. Habe ich wohl einfach verschwitzt.
Nach knapp 10km Wegstrecke kam ich dann am höchsten Punkt der heutigen Tour an, dem Col de Bise. Es herrschte viel Betrieb und ich entschied mich, gleich 3 ganze Müsliriegel zu mir zu nehmen. Nach einer kurzen Pause ging es dann im Trailrunning Schritt bergab zum Refuge de Bise. Leider gibt es in Frankreich keine Wanderstempelkultur, daher kehrte ich nur auf ein Soda Zitron ein, auch wenn es auf Französisch ganz anders heißt.
Nach der Hütte ging es dann nochmals 300 Höhenmeter bergauf, bevor ein langer Abstieg anstand. Die Pause hatte mir scheinbar alles andere als gutgetan, denn plötzlich begannen meine Oberschenkel zu krampfen. So etwas hatte ich in meinem Leben überhaupt noch nicht erlebt. Wadeln ja, Oberschenkel komplettes Neuland. Es war so schlimm, dass ich mich mitten am Weg hinsetzen musste. Puh. Ich probierte ein paar Meter weiterzugehen, aber ziemlich erfolglos. Ich wusste, dass mir nach diesem Anstieg nochmals 800 Höhenmeter bevorstanden bzw. ich erst bei der Hälfte der Kilometer war.
Aber zurückgehen war sowieso keine Option. Daher ein paar Mal durchgebissen und in langsamem Tempo mit einigen Sitzpausen den Anstieg hinauf. Dabei wurde ich von mehreren anderen Wanderern überholt, aber zu dem Zeitpunkt war das egal. Oben angekommen gab es zuerst einmal eine lange Pause. Ich war positiv gestimmt, dass der Abstieg und die längere Passage in der Ebene meine Beine wieder auflockern würden.
So war es auch, der Abstieg ging recht locker über die Bühne. In La Chappelle d’Abondance angekommen, dachte ich dann aber lange darüber nach, ob ich mir nicht ein Hotelzimmer in dem Skiort nehmen sollte. Aber im Hinblick auf den morgigen Tag entschied ich mich, dass ich irgendwann den Anstieg sowieso machen musste und begann die letzten qualvollen Höhenmeter.
Bei einer der vielen kleinen Sitzpausen informierte ich kurz die Unterkunft, dass ich es nicht rechtzeitig zum Abendessen schaffen würde, welches für 18:45 angesetzt war, und meinte voller Optimismus, dass ich um 19:15 eintreffen sollte. Falsch gedacht. Der wohl längste letzte Kilometer meines Lebens lag noch vor mir. Die Hütte in Sicht tat meinem Körper nicht gut und ich merkte, wie er langsam abzuschalten begann. Nach einem weiteren Anruf bei der Unterkunft, sagten sie mir, dass ich mich nicht hetzen müsse und sie mir etwas zum Essen aufheben würden. Hunger hatte ich keinen. Aber gut. Gequält kam ich schließlich zur Primetime um 20:15 an. Ich kann gar nicht sagen wie viele Krampfattacken ich erfolgreich abgewehrt hatte, trotzdem stolz und erleichtert, dass ich das durchgezogen habe.
Hard Facts:
- Strecke: 24,1 km
- Aufstieg: 2832 m
- Abstieg: 1339 m
- Niedrigster Punkt: 372 m
- Höchster Punkt: 1916 m
Griaß eich!